Allein um die Welt

Impressionen vom Ziel der Venée Globe

25.01.25, Les Sables d’Olonne, Frankreich.

Tausende säumen den „Chenal“, den Kanal, durch den hier jegliches Boot fahren muss, um vom wilden Atlantik in den geschützten Hafen von Les Sables d’Olonne zu kommen. Die Menge erwartet heute vier Einhandsegler – Teilnehmer der Vendée Globe, des härtesten Einhandrennens rund um die Welt. Für die segelbegeisterten Franzosen ist jeder Zieleinlauf ein Volksfest. Draußen stehen zwei bis drei Meter Welle, es schüttet wie aus Eimern. 

Nachdem wir am Vortag schon am Chenal die Segler Jérémie Beyou auf Platz vier und Paul Meilhat (5.) glücklich mit Leuchtfackeln in den Händen vorbeifahren sahen – die Franzosen klatschend, bravo-rufend und trötend am Rande – stehen wir heute auf dem Ponton, um die Neu-Ankommer direkt am Steg mit dem roten Teppich zu empfangen, sind hautnah dabei. 

Nun also heute: Es schüttet, was das Zeug hält, doch das interessiert hier keinen, alle sind guter Laune. Begeisterte Franzosen skandieren „Nico! Nico! Nico!“, als Nicolas Lunven als Sechster am Ponton ankommt. Schlachtengesänge, Tröten, Nebelhörner, Lachen. Strahlende Gesichter, die Champagnerflasche (natürlich Magnum) wird gut durchgeschüttelt, ein Schluck fürs Boot, eine Dusche für das Team, Gratulationen mit Küsschen links und Küsschen rechts, Umarmung mit Maman, die Kinder, Interview, Händeschütteln mit allen.

Direkt an Nicolas Heck klebend läuft Thomas Ruyant ein. Er musste seit der Nacht auf die Einfahrterlaubnis in den Chenal warten. Das kam ihn schwer an, wollte er nach 76 Tagen auf See einfach nur noch ankommen. Dennoch, Tide, erste Sturmböen und widrige Bedingungen verboten dies.

Am Nachmittag dann läuft bei mittlerweile sonnigem Wetter, Justine Mettraux als achte ein. Die Schweizerin, schnellste Frau dieser Regatta, wird ordnungsgemäß mit Kuhglockengebimmel empfangen, „Jüjü!“ rufen ihre Fans, sie wird auch „Justine, la machine“ genannt. Müde sieht sie aus, erschöpft, aber auch glücklich.

Und dann auf Platz neun: Publikumsliebling Sam Goodschild, der anschließend auf dem Podium als der französischste Brite gefeiert wird. 

Ihm war erst vor wenigen Tagen das Großsegel einmal quer durchgerissen; von den 14 Kartuschen Sikaflex der Reparatur klebt immer noch ein Rest auf seinen Händen. Pip Hare, die Britin, die mit einem Mastbruch schon vor Australien aufgeben musste, steht auf dem Ponton, um ihn zu beglückwünschen. Er feiert mit Frau und den beiden Kindern und dann mit der Menge am Podium, bedankt sich in fließendem Französisch bei seinem Team und dem Publikum.

Erst morgen werden die nächsten erwartet, also Schluss für heute. Die durchweichte Menge löst sich auf, einen Teil treibt es ins warme Festzelt, den Rest zurück zu Parkplätzen und Stellplätzen, da kommt erneut ein Platzregen mit 35 Knoten Wind, Riggs klappern, die Straßenlaternen pfeifen, Menschen stemmen sich gegen die Böen.

Denn draußen kommt der angekündigte Sturm näher, Böen mit 49 Knoten sind angekündigt, die Ziellinie wurde auf das „Sturm-Tor“ verlegt, eigentlich ein Pflichttor weiter draußen, das nun als neue Ziellinie sicherstellt, dass kein Boot auf Legerwall gerät. Im Hafen rüstet man sich für den schweren Sturm und wir tun das mit dem Wohnmobil auch. 

Spannend war‘s, eine fantastische Stimmung – doch nun zieht es uns weiter in den Süden, zu besseren Temperaturen und sonnigem Wetter. Merci, Vendée Globe!        

Inge                         

Nachtrag:

Die Hafensperrung hatte seine Berechtigung: 60 Knoten Wind und sechs Meter Welle vor der Einfahrt, da konnten die nächsten Beiden zwar durch das Sturm-Tor die Regatta beenden, waren aber froh, in la Rochelle einen Hafen zu finden der sie aufnehmen konnte.